Kundenprovokation in der Praxis

Ein Praxisbeispiel für Sie

Bild einer Wasseruhr mit pfeilen

Der Ausgangspunkt: Oder wenn die Kundeninformation verärgert...

Gerade habe ich diese Nachricht über Amazon erhalten:

„Unser Depot in Europa hat uns darüber informiert, dass DPD Ihre Bestellung an sein Lager zurückgeschickt hat. Haben Sie diese Bestellung abgelehnt oder waren Sie nicht erreichbar, als DPD versuchte, die Bestellung auszuliefern? Können Sie bestätigen, ob Sie eine Rückerstattung oder die Zusendung eines anderen Produkts wünschen? Mit freundlichen Grüßen.“

Ich lese die Nachricht – und mein Puls schießt in die Höhe.
Nicht, weil sie dramatisch wäre. Sondern weil sie in ihrer Routine das perfekte Beispiel ist für: Wie man Kunden mit System verärgert.

Die stille Eskalation: Wenn Textbausteine mehr Zündstoff als Service sind

Automatisierte Antworten haben ihren Zweck und sind auch oft sehr sinnvoll – aber sie verfehlen ihn grandios, wenn sie in einer angespannten Situation emotional entkoppelt daherkommen. Der Tonfall klingt neutral, die Fragen wirken strukturiert – und doch löst genau das die Eskalation aus. Denn:

  • Es gibt kein echtes Interesse an meinem Problem.

  • Die Verantwortung/Schuld wird auf mich übertragen.
  • Ich werde auf Standardfragen zurückgeworfen, obwohl ich längst reagiert habe.

  • Der Absender delegiert Verantwortung an mich, ohne Kontext oder Lösungsvorschläge.

  • Die Grundannahmen entbehren jeder Realität.

Kurz: Die Nachricht fühlt sich an wie ein Rauswurf in höflicher Sprache.

Emotionen als Prozessfehler? Nein – als Rückmeldung!

Ich bin in diesem Moment nicht einfach ein unzufriedener Kunde.
Ich bin ein Mensch, dem bereits mehrere Lieferungen misslungen sind.
Ich bin jemand, der sich die Mühe gemacht hat, zu reagieren, zu warten, nachzuforschen.

Und was bekomme ich?

  • Ein Frageformular.
  • Ein Reaktionsautomatismus.
  • Ein Gefühl von: „Stell dich nicht so an.“

Natürlich reagiere ich. Drücke den Antwortenbutton und schreibe ,zurück. Erst über die Bewertungsfunktion. Dann, weil ich offenbar noch nicht „richtig“ adressiert habe, erneut über das Verkäuferformular. Ich schreibe, obwohl ich es eigentlich nicht will. Weil ich geladen bin. Weil da jemand auf der anderen Seite seinen Job nicht gemacht hat und auch jetzt nicht macht.

Die versteckten Kosten schlechter Kommunikation

Die Angaben von DPD stimmen nicht, stimmen nach meiner Erfahrung nie: Mehrere Zustellversuche, die es definitiv nicht gab. Keine Informationen zur Selbstabholung. Nur tote Links, die meine Zeit vernichten.“

So oder ähnlich formuliere ich es. Nicht aus Prinzip, sondern aus Frust.

Was folgt, ist nicht einfach eine schlechte Bewertung. Es ist eine Reaktion auf ein System und die Beteiligten. Sie haben über all dem Systemischen ihre Kundschaft aus dem Blick verloren.

Und diese heftige Reaktion verzerrt natürlich eine realistische Bewertung. Sie wirft Türen zu und verhindert damit häufig, daß sich die Betroffenen mit der Kritik auseinander setzen. Denn auch trotz aller Heftigkeit enthält sie Informationsgehalt.

Unglücklich aber auch, das sie oft den Schwächsten im Glied trifft: Den Händler… Dabei sind hier vermutlich andere Prozessbeteiligte die Hauptverantwortlichen.

Die Lehre daraus – für alle, die Kundenservice ernst nehmen:

Provozieren Sie Ihre Kund:innen nicht – es sei denn, Sie wollen ehrliches Feedback.

Denn jede schlechte Rückmeldung ist ein Hinweis auf eine Schwachstelle im System:

  • Technische Prozesse ohne menschliches Korrektiv.

  • Dienstleister, auf die sich niemand wirklich verlassen kann – außer dem Algorithmus.

  • Kommunikation, die nur auf Effizienz, nicht auf Beziehung ausgerichtet ist.

Was ich mir wünsche?

Ganz einfach: Eine Möglichkeit, Lieferdienste auszuschließen, die wiederholt versagen. Eine Anrede, die den Frust anerkennt. Eine Nachricht, die sagt: „Wir sehen, dass etwas schiefgelaufen ist – wir kümmern uns.“

Das wäre die Kunst des Beschwerdemanagements: nicht zu beschwichtigen, sondern ernst zu nehmen.

Denn am Ende geht es nicht nur um Pakete.

Es geht um Zuverlässigkeit und Vertrauen.

Fazit

Beschwerdemanagement hört in schwierigen Momenten nicht auf. Beschwerdemanagement ist nur so gut, wie die Verfasser und Entwickler. Sind die nicht offen und kompetent, dann ist Ihr Beschwerdemanagement unter Umständen sogar kontraproduktiv.

Weiterführende Informationen

Wenn Sie wissen wollen, warum Kunden Unternehmensreaktionen so oft als „unangemessen“ empfinden, dann lesen sie nach: „Wie Unternehmen Beschwerden sehen“.